Samstag, 21. August 2010

Interview: Private Line 05.09.2008

Private Line – Prozac Nation Tour 2008
Bochum, 5.9.2008

“Wenn der Gig gut ist, kann du’s einfach genießen. Du musst nicht mehr nachdenken – du lässt dich einfach tragen. Du musst es fühlen.“

Es ist kühl und regnerisch in Bochum, aber  Sammy (Gesang) und Jack (Gitarre) von Private Line sind in bester Laune kurz vor ihrem zweiten Konzert ihrer ersten Deutschlandtour.
Wir treffen die Jungs mit etwas Verspätung und haben 20 Minuten Zeit, die sich eher wie zehn anfühlen wenn man bedenkt wie fröhlich und ausführlich unsere Fragen beantwortet werden.
“Gestern war eine tolle Show”, erinnert sich Sammy an das Tourauftaktkonzert in Köln am Tag zuvor, und er erzählt uns dass es gut zum Aufwärmen und so etwas wie eine Probe für die
 gesamte Tour war. „Es ist nicht so, als hätten wir nicht geübt“, grinst er, „aber eine erste Show ist eben immer eine erste Show.“ – Jetzt, nach einem guten Start, sind die Erwartungen noch höher als zuvor. Jack erklärt, dass vor jeder ersten Show immer eine gewisse Nervosität bestehe, aber zum Glück, ergänzt Sammy, würde man sich ja jetzt kennen, sodass die Show heute noch besser als gestern werden könne.

Wenige Wochen vor ihrer Prozac Nation-Tour kündigte die Band an, ohne ihren ursprünglichen Gitarristen Illy zu touren und stattdessen einen Gastgitarristen dabei zu haben. „J.V. spielt normalerweise bei Machine Men“, stellt Jack ihn vor und erklärt, dass J.V. auch schon Gitarrentechnik-Jobs für Private Line gemacht hat, „er ist ein alter Freund der Band“, ergänzt er, und erzählt und dass die Band und J.V. schon als Kinder zusammen Musik gemacht haben.
„Er kennt viele unserer Songs, so war es leicht für die Tour zu proben“, lächelt Sammy. – Wie wir schon am Tag zuvor herausgefunden hatten, sind die vier ‚regulären’ Bandmitglieder und ihr Gast ein gutes Team voller Energie und Enthusiasmus.

Private Line touren zusammen mit der Band Sister aus Schweden, aber unser Versuch die gestrige Verwirrung über die Zahl der Supportbands in Köln aufzuklären [Anm.: es gab drei: die Lokale Band From Outset Crisis, Sister (SWE) und Big Boy (GER)] schlägt fehl:
„Ehrlich gesagt wissen wir gar nichts über die Supportbands“, gibt Sammy zu und alle fangen an zu lachen, „das ist einfach etwas was von den Organisatoren kommt“, ergänzt er und fängt an, Big Boy zu loben die in Köln und Bochum als Support auftreten. „Es ist super das Big Boy auftreten, ich wollte ihre Show sowieso sehen!“, erzählt uns Sammy.
„Es wäre toll mal die Rolling Stones, Aerosmith oder eine dieser Legenden zu supporten“, lässt Jack uns wissen, aber hat die Band ihren Traum, eine besondere Band zu supporten, schon verwirklicht, als Private Line 2005 eine Mötley Crüe-Show in Finnland eröffnet haben.

2005 war auch das Jahr in dem Private Line ihre erste Show in Deutschland gespielt haben – es hat drei Jahre gedauert, bis sie wieder zurückkommen können, aber die jetztige Tour scheint keinen besonderen Grund zu haben. – Zumindest nicht wenn man Jack’s spontaner Antwort über das wie und warum der Tour Glauben schenkt: „Das wurde einfach so organisiert“, sagt er trocken und fängt mit uns dann an zu lachen, bis Sammy anfängt zu erklären, wie es wirklich abgelaufen ist. Er erzählt uns dass sich Mitarbeiter des deutschen Labels Contra Promotions die Show im Jahr 2005 angeguckt haben, aber dass keine Show gebucht werden sollte, ohne dass die Band ein Album herausgebracht habe. Letzten Endes waren es die Fans, die der Band geholfen haben – „Das war viel Publikumsarbeit“, unterstützt Jack Sammy’s Aussage dass es die deutsche Fanbase und die deutsche Myspace Seite waren, die die Tour ins Rollen gebracht haben. Jack erläutert dass der ursprüngliche Plan war, zuerst ein Album zu veröffentlichen und dann zu touren, aber dass die Fanarbeit die Tour letztlich ohne ein Release möglich gemacht habe. Wie dem auch sei, Jack verspricht, dass ein neues Album definitiv in Deutschland veröffentlicht werden würde.
„Wir lieben es einfach zu spielen“, ergänzt Sammy noch, „Wir sind keine Businessmänner, wir mögen Parties. Wir sind hier um zu unterhalten, wir wollen einfach gute Shows spielen und gute Alben machen. Wir treffen nicht die Entscheidungen, wir machen die Musik!“

Dass dies jetzt ihre erste Deutschlandtour ist, macht die Jungs nicht allzu nervös.
„Es ist aufregend ein neues Publikum zu haben und in einem neuen Land zu spielen“, erzählt Jack, „aber wir können nicht wirklich etwas erwarten.“
„Alles was hier passiert ist nur ein Plus“, fügt Sammy hinzu und erklärt warum es im Vorfeld keine großen Erwartungen an die Tour gab: „Es kann immer passieren dass man herkommt um nur vor zehn Leuten zu spielen“, sagt er. „Man kann nie wissen, was kommt.“
„Das ist wie wenn man etwas isst, was man noch nie zuvor gegessen hat“, fasst Jack zusammen, als Eliaz (Drums) plötzlich zu uns kommt und fragt ob er sich dazu setzen kann. Er scheint nicht der einzige zu sein, der das Interview verfolgt hat – während Sammy’s Erklärung dass es darum ginge, gute Shows zu spielen und vielleicht neue Fans zu gewinnen, schaltet sich Big Boy ein, der neben uns vor dem Spiegel steht und sich mit seinem neongelben Glätteisen die Haare macht. Enthusiastisch erzählt er, dass sie schon komplett neues Publikum getroffen haben, wie zum Beispiel eine Gruppe von HipHoppern am Abend zu vor. „Die haben uns gezeigt wie man in deren Stil tanzt“, grinst er, und präsentiert zusammen mit Sammy, was die beiden gelernt haben. „Wir haben dann mit denen zusammen getanzt, es hat echt Spaß gemacht!“, lacht Big Boy. „Ich habe es zumindest versucht“, grinst Sammy, und wieder lachen alle.

Was also macht ein gutes Konzert aus, möchten wir wissen, und die Jungs sind einer Meinung darüber, dass die Stimmung und Atmosphäre in der Band und im Publikum am wichtigsten sind. „Wenn die Stimmung in der Band gut ist, dann überträgt sich das auch aufs Publikum”, erklärt Sammy wieso Interaktion innerhalb der Band so wichtig ist.
„Wenn es ein guter Gig ist, dann kannst du’s einfach genießen. Du musst nicht mehr denken. Du kannst dich einfach tragen lassen!”, beschreibt Sammy die Gefühle auf der Bühne, „Du musst es fühlen!“ betont er, und Jack erklärt dass ein Gig dann richtig gut war, wenn man sich anschließend die Frage stellt „Was ist da gerade passiert!?“ – Man merkt den beiden ihren Enthusiasmus an, und vielleicht ist es gerade dieses Gefühl, aus dem sie ihre Energie nehmen.

Ein gutes Konzert besteht natürlich immer auch aus Songs, und scherzhaft lässt Eliaz uns wissen, dass über die Setliste entschieden wird, in dem man sich streitet. Sammy dagegen erklärt, dass die Band immer versucht ein ausgeglichenes Verhältnis von rockigeren Songs und langsameren zu schaffen, und dass die Setlisten oft auch von der Stimmung in der Band abhängen. „Es gibt immer eine normale Struktur“, erläutert Jack, „es gibt ein paar Songs die wir jedes Mal spielen, und dann gibt es wieder andere Songs, die ausgewechselt werden.“
Sammy erzählt uns außerdem, dass die Band zusammen mit J.V. ungefähr 17 oder 18 Lieder für die Tour geprobt haben und dass es immer schwierig ist, die Songs auszuwählen, da man bei zwei Alben nicht jeden einzelnen Song spielen kann.

Wir lassen den Fact-Teil unseres Interviews hinter uns und bitten die Jungs, sich die Band mit getauchten Rollen vorzustellen – heraus kommt eine komplett neue Version von Private Line mit drei Bassisten, einem Drummer und einem Gitarristen, aber niemandem, der sich freiwillig als Sänger melden würde:
Sammy will unbedingt einmal Bass spielen weil, so sagt er, er dann mehr drinken könne, und weil man als Bassist einfach mehr feiert: “Als Sänger muss ich immer früh ins Bett und auf meine Stimme aufpassen”, erklärt er, setzt aber eine Bedingung: Er würde nur Bass spielen wollen, wenn dieser nur eine Saite habe. Auch Eliaz möchte einmal Bassist sein, während Jack sich bereit erklärt als Drummer zu agieren, auch wenn er gar nicht gut genug dafür spielen könne – der Rest ihrer Pläne geht unter in Verwirrung über zu viele Bassisten und einem fehlenden Sänger.
Wie auch immer, alle drei einigen sich darauf I can’t live without you bei einem Idols Casting singen zu wollen und demonstrieren und ihre Version des Songs in dem sie anfangen so etwas wie “I can’t liiiiiiibadibadibadibadiiive wiiiithouououot youuuuuuuuuuuuuuuu” zu singen – “Wir sollten damit aber zu Popstars gehen“, sagt Jack, “immerhin suchen die ja immer nach einer ganzen Band.”
Außerdem erfahren wir, dass Jack das letzte Mal als Kind Wunschzettel an den Weihnachtsmann geschrieben hat, ihm aber immer noch Respekt zollt: „Ich habe meine erste Gitarre vom Weihnachtsmann!“ lächelt er, während sowohl Sammy als auch Eliaz sagen, dass sie keine Wunschzettel mehr schreiben. „Vielleicht noch in meinem Kopf“, gibt Eliaz schließlich zu, bevor wie zu unserer letzten Frage übergehen.

Dabei ist unsere letzte Frage gar nicht wirklich unsere, wir bitten die drei nämlich, sich stattdessen gegenseitig eine Frage zu stellen.
„Jack, wie viel trinkst du vor einer Show?!“ fragt Sammy direkt, und Jack grinst, „Das hängt ganz von der Stimmung ab. – Wie viele Flaschen Wein hast du denn vor der Show gestern getrunken, Sammy?“ fragt er zurück, und Sammy’s Antwort ist wie ein Echo: „Das hängt ganz von der Stimmung ab!“ – Nach allgemeinem Gelächter ist es schließlich Eliaz’ Aufgabe, die letzte Frage unseres Interviews zu stellen:
„WIESO?! Warum macht ihr das?!“ will er wissen, und Jacks und Sammys Antwort ist einfach nur: “Darum!!”
„Wir können einfach nichts anderes“, sagt Sammy, aber er scheint nicht besonders unglücklich darüber zu sein oder es gar zu bereuen. Ganz im Gegenteil.

Mit einer letzten Erinnerung daran, dass unsere Zeit um ist, verabschieden wir uns voneinander. „Viel Spaß bei der Show heut Abend!“ sagt Sammy, und wir können seine Wünsch nur erwidern, bis wir nach vielem Handschütteln und etlichen „Macht’s gut“ und „Vielen Dank“ die Jungs nach einem wirklich unterhaltsamen und netten Interview wieder allein lassen.

[© Ilta-Seija & Varjot-Virva – Vielen Dank an Jack, Sammy und Eliaz für ihre Zeit und für das großartige Interview, sowie an alle Verantwortlichen, die das Interview möglich gemacht haben!]


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen